LRS: Lese-Rechtschreibstörung

In der Bevölkerung findet man nach wie vor die Bezeichnung "Legasthenie" für Störungen beim Erwerb der Schriftsprache, also als "Sammelbegriff" für sämtliche Schwierigkeiten, die mit dem Erlernen/der Beherrschung des Lesens und Schreibens zu tun haben. Besonders gebräuchlich ist diese Bezeichnung im pädagogischen Lern-/Förderbereich.

Leider hört man immer wieder Meinungen wie "LRS bedeutet Minderbegabung" oder "Betroffene sind lernfaul". Sogar manche  Pädagogen negieren die Existenz dieser Entwicklungsstörung, der von der WHO eindeutig die Wertigkeit einer Erkrankung zugeschrieben wird. Dies aus folgenden Gründen:

  • früher Beginn (oft erkennbar als Sprachentwicklungsstörung im frühen Kindesalter)
  • entsprechende genetische Disposition
  • Verlauf/Ausprägungsgrad  zusätzlich durch Umwelteinflüsse bestimmt
  • Die Störungen führen zu erheblichen Beeinträchtigungen in der persönlichen, familiären, schulischen oder beruflichen Entwicklung!!

Wohl kaum jemand, der aus Unwissenheit solche Aussagen tätigt, macht sich Gedanken darüber, welchen - zum Teil jahrelangen - Leidensweg Betroffene schon hinter sich haben! Sehr oft beeinflusst die Lese-Rechtschreibstörung auch heute noch die Schul- und Berufswahl vieler Kinder und Jugendlicher, nagt am Selbstwert, kann zu großer Verunsicherung, psychosomatischen Beschwerden bis zur Depression samt Schulverweigerung führen. Dadurch kann der Zugang zum Arbeitsmarkt verwehrt bleiben, was weitere negative Folgeerscheinungen - nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern für das gesamte soziale System - nach sich ziehen kann.

Diese Negativspirale frühzeitig zu durchbrechen bzw. sie gar nicht in Gang zu setzen, ist mit geeigneter therapeutischer Hilfe durchaus möglich. Je früher diese einsetzt und je intensiver die Problemfelder bearbeitet werden, umso günstiger sind die Aussichten auf Verbesserung.

Viele Kinder schaffen durch ihre Intelligenz, gute Kompensationsfähigkeit oder auch, weil Pädagogen/Eltern der Problematik zu wenig Aufmerksamkeit schenken konnten/wollten die Volksschulzeit noch als "nicht-gröber-auffällige-das-wird-schon-Schüler". In der Sekundarstufe folgt jedoch häufig das "böse Erwachen" und spätestens dann sollte dringend gehandelt werden.

Allerdings ist die Schlussfolgerung nach dem Motto "viel hilft viel", also "einfach" mehr schreiben, mehr lesen, mehr üben, bei LRS-Betroffenen völlig kontraproduktiv. Denn für sie bedeutet die Bewältigung der "normalen", täglichen Schulroutine sowieso schon ein Mehr an Aufmerksamkeit und Anstrengung.

Hier von elterlicher oder schulischer Seite Druck auszuüben, führt häufig erst recht zu Gefühlen der Überforderung und Unfähigkeit, da die Kinder/Jugendlichen den Aufbau und die Funktionsweise des Schriftsprachsystems noch nicht verinnerlichen konnten! (--> Schriftspracherwerbsstörung)

Bei Kindern ohne Defizite vollzieht sich dieser Erwerb "automatisch", sie kommen mit dem schulischen Angebot gut zurecht und verbessern ihre Fähigkeiten durch die tägliche Auseinandersetzung in der Schule und bei den HÜ fortlaufend. 

Für LRS-Betroffene ist dies jedoch zu wenig und zu unspezifisch. 

Analog dazu "wachsen" auch kleine Kinder durch das tägliche Sprachangebot in ihrem Umfeld  nicht immer in die Sprache hinein, sondern bestimmte Defizite hindern sie daran Sprache altersadäquat zu erwerben. (--> Spracherwerbsstörung)

In beiden Fällen sind  Therapiemaßnahmen durch eine Logopädin indiziert!

Es kommt entscheidend darauf an WIE und WAS geübt wird und dies mit entsprechender Intensität und fundiertem Therapeutenwissen. Therapiemaßnamen müssen genau abgestimmt, aufeinander aufbauend, schrittweise vollzogen werden. Die Eltern werden durch die Logopädin im Umgang mit ihrem Kind und seinen Schwierigkeiten angeleitet und können so neue Sichtweisen entwickeln, was sich positiv auf das familiäre Klima auswirkt.

Unbedingt notwendig ist es die Kinder/Jugendlichen zwar zu fordern, aber nicht zu überfordern. Die Übungen müssen positiv vermittelt, schaffbar und für die Betroffenen nachvollziehbar gestaltet sein. Durch diese Erfolgserlebnisse bleibt die Durchhaltemotivation erhalten. Dieses sorgsame und reflektierte Herangehen ist wesentlicher Teil meiner therapeutischen Arbeit.

Langfristiges Ziel sollte sein, dass durch ein gut funktionierendes Netz an Hilfsmaßnahmen aus dem logopädischen und sozialen Bereich, sowie Maßnahmen/Förderungen durch diesbezüglich fortgebildete Pädagogen, Betroffene einen für sie erfüllenden Weg ins Berufsleben beschreiten können.

Wissenschaftliche Definition der LRS

Im Krankheitskatalog der WHO (Weltgesundheitsorganisation) ist die Lese-Rechtschreibstörung unter den umschriebenen Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten zu finden (vgl. ICD-10: F81.0, F81.1). Da die deutschsprachige Nachfolgeversion "ICD-11 " zwar einsetzbar ist, sich jedoch noch in ihrer Entwurfsfassung befindet, beziehe ich mich auf diese Codierung.

Es handelt sich also um eine umschriebene Entwicklungsstörung des Schriftspracherwerbs, einer spezifischen Störung beim Erlernen des Lesens und/oder Schreibens, wobei die Leistung in diesen Bereichen unter jener liegt, die aufgrund der Begabung zu erwarten wäre und auch unter der Altersnorm. 

Organische (schlechtes Hörvermögen, Sehfehler), psychische, oder kognitive Beeinträchtigungen, neurologische Erkrankungen bzw. mangelhafte Beschulung dürfen nicht Ursache dieser Probleme sein.

Die Betroffenen verfügen also über eine normale bis überdurchschnittliche Intelligenz und haben dennoch Schwierigkeiten im Schriftspracherwerb! 

Ca. 3-5% aller Kinder sind von dieser Störung betroffen. Bezieht man auch die Lese-Rechtschreibschwäche, die die gleichen Symptome aufweist, mit ein, so steigt der Anteil auf das Dreifache.

Die Ursachen für die Entstehung einer LRS sind multifaktoriell. Besonders zu gewichten sind hierbei einerseits eine genetische Komponente, andererseits gestörte Verarbeitungs-/Abrufprozesse im Sprachlautsystem  --> "Störung der phonologischen Bewusstheit / Phonologisches Defizit / phonologische Rekodierungsstörung". Dieses Störungsbild ist weltweit in allen Schriftsprachsystemen auffindbar und bleibt lebenslang bestehen, kann jedoch mit geeigneter logopädisch-therapeutischer Intervention gut kompensiert werden.

Lesen Sie hierzu auch den Artikel aus "Forum Gesundheit" der OÖGKK: "Lernstörungen - Wenn Lesen, Schreiben oder Rechnen schwerfällt"Dr. Thomas Hartl im Gespräch mit Mag. Dr. Martin Schöfl, (klinischer Psychologe)

Wie zeigt sich die Schriftspracherwerbsstörung?

Kinder mit LRS haben in der Vorgeschichte häufig eine umschriebene Entwicklungsstörung des Sprechens und der Sprache. Eine genauere Betrachtung der Sprachfunktionen deckt oft entsprechende, subtile gegenwärtige Probleme auf.

Es gibt keine "LRS-spezifischen" Fehler! Von LRS betroffene Kinder machen die gleichen Fehler, wie alle anderen Kinder am Beginn ihrer Schullaufbahn. Allerdings bleiben Fehler bei "LRS- Kindern" bestehen, da es ihnen nicht selbstständig gelingt  die Zusammenhänge im Schriftsprachsystem zu erfassen und die korrekte Wortschreibung abzuspeichern. Fehlerarten und Fehlerhäufigkeit können stark variieren. Vordergründig sind u.a. folgende Schwierigkeiten sichtbar:

Beim Lesen:

  • Leseunfähigkeit
  • verlangsamtes Lesen: mühsam und stockend
  • verständnisloses Lesen, Wörter werden geraten
  • eingeschränkte Lautverschmelzung - Buchstaben werden als Einzellaute gelesen; selbst häufige Wörter müssen immer wieder neu erlesen werden
  • fehlerhaftes Lesen: falsche Buchstaben-Lautzuordnung; Auslassen/ Hinzufügen/Ersetzen von Worten oder Wortteilen, Verwechslung optisch ähnlicher Grapheme
  • dysrhythmisches Lesen - monoton, ohne Betonung, Satzmelodie
  • Leseunlust
  • Satz-und Textverständnisprobleme, das Gelesene kann nicht richtig interpretiert werden, keine Informationen abgeleitet werden --> Hinweis auf Störung des Sprachverständnisses /Wortschatzdefizit

Beim Schreiben:

  • fehlerhaftes Abschreiben
  • besonders viele Fehler in Diktaten und Aufsätzen
  • bestehenbleibendes lauttreues Schreiben (= schreiben, wie man spricht)
  • Auslassung und Vertauschung von Buchstaben, Silben - oft können nur "Wortruinen" verschriftlicht werden
  • Hinzufügen von Buchstaben
  • Unterschiedliche Falschschreibungen desselben Wortes
  • Trotz intensiven Übens zeigen sich kaum Fortschritte
  • Orthografische Besonderheiten werden nicht erkannt, können nicht umgesetzt werden.
  • Schreibunlust

In Kombination mit einer LRS können Rechenstörungen, psychosomatische Beschwerden, Schlafstörungen, Verhaltensauffälligkeiten, depressive Verstimmungen, Aufmerksamkeitsstörungen und Ängste auftreten.


Diagnostik bei Verdacht auf eine LRS

Um eine Lese-Rechtschreibstörung im krankheitswertigen Sinn, als zentral-sprachlich-phonologische Verarbeitungsstörung von einer sich milder darstellenden Lese-Rechtschreibschwäche oder einer kognitiven Minderbegabung abgrenzen zu können, ist eine fundierte Diagnostik unumgänglich! Spezialisten, die solcherart diagnostizieren dürfen, sind Kinderpsychiater, klinische/Gesundheitspsychologen (multiaxiale Diagnostik!) und Logopädinnen entsprechend ihrem Berufsbild.

Bei einer multiaxialen Diagnostik (ausschließlich durch befugte Personen - Verschwiegenheitspflicht!)  werden die Bereiche "Psyche - Entwicklung - Intelligenz - Somatik - Psychosoziale Belastungsfaktoren - psychosoziale Anpassungsfähigkeit" untersucht/erfragt und standardisierte Lese-Rechtschreibtests durchgeführt. Nur Befunde dieser Berufsgruppen werden auch von der Schulbehörde bezüglich des "Nachteilsausgleichs" akzeptiert.

Standardisierte Lese- und Rechtschreibtests können im Rahmen der logopädischen Diagnostik auch von mir durchgeführt und ausgewertet werden. Somit kann gegebenenfalls bereits vor der endgültigen Feststellung einer krankheitswertigen Störung durch o.g. Berufsgruppen mit einer Therapie/Förderung begonnen und die oft lange Wartezeit überbrückt werden. 

Sollte ein Kind bereits nach ICD-10/11 diagnostiziert sein und alle Leistungen "objektiv in der Norm" liegen, es sich aber trotzdem beim Lesen/Schreiben schwer tut, kann die Logopädin im Rahmen einer Sprachentwicklungsdiagnostik  feststellen, ob möglicherweise die sog. „Vorläuferfähigkeiten“ für das Schreiben/Lesen beeinträchtigt sind, ob das Kind Probleme in der auditiven Verarbeitung, dem Sprachverständnis, oder auch mit Syntax oder Grammatik hat.
Falls ja, können entsprechende Therapiemaßnahmen auf Kassenkosten/Teilrefundierung ergriffen werden.
 

Therapie bei LRS

"Gegen die LRS ist kein Kraut gewachsen" - durch die genetische Komponente und die besondere hirnorganische Verarbeitung bleibt sie lebenslang bestehen. Sehr wohl jedoch können durch logopädische Interventionen neue Vernetzungen und Kompensationsmechanismen aufgebaut werden, so dass die Problematik gut beherrschbar wird. 

Wesentlich dabei ist neben einer qualifizierten, länger dauernden Therapie auch die Bereitschaft zu regelmäßigen häuslichen Übungen! Erkundigen Sie sich allerdings genau, welche Methoden zum Einsatz kommen und worauf sich diese begründen. "Behandlungen durch Nicht-Logopäden", die versprechen an der "Ursache der Legasthenie" zu arbeiten und diese somit zu beseitigen, sind unseriös!

Bei den Berufen "LegasthenietrainerIn" und vielen mit ähnlicher Bezeichnung handelt es sich um keine therapeutischen Berufe mit strengen gesetzlichen Vorgaben (vgl.MTD-Gesetz, Gesundheitsberuferegister, Patientensicherheit) Das bedeutet, dass der Gesetzgeber keine verpflichtend einzuhaltenden Vorgaben macht, was Ausbildung und Kompetenzaneignung betrifft. Dies führt häufig zu Missverständnissen, auch bei Medizinern!  Alle Logopädinnen, die sich bewusst sind, was ein gesetzlich abgesichertes Berufsbild für den Wert der eigenen Qualifikation, der Patientensicherheit, für das Ansehen innerhalb anderer Berufsgruppen aus dem Medizinwesen und für das entgegengebrachte Vertrauen der Patienten/Klienten bedeutet, werden sich also hüten, solch verwechslungsfähige Titulierungen anzugeben, auch wenn sie gleichlautende Fortbildungen besucht haben!.

Seit 2013 ist die Logopädie in der Systematik der Wissenschaften (Manual de Frascati) in der 3. Hauptgruppe (Humanmedizin, Gesundheitswissenschaften Human Medicine, Health Sciences aufgeführt. (Quelle: Wikipedia). Das Wissen über Störungen des Schriftspracherwerbs und deren Behandlung ist Teil des Logopädie-Studiums, durch Fortbildungen werden weitere Kompetenzen und Spezialisierungen erworben.

Gesprochene und geschriebene Sprache können nicht als völlig separate Hirnleistungsfunktionen betrachtet werden. So zeigen Therapieansätze, die auf die Verflechtungen von lexikalisch- semantischer, phonologischer und orthografisch-morphematischer Ebene abzielen, große Wirksamkeit für die Schreib-/Lesefähigkeit, im Gegensatz zur Bearbeitung einzelner isolierter Wahrnehmungsbereiche.

Zur Beachtung: Bei Bezugnahme auf deutschsprachige Forschungsergebnisse, Studien, Artikel & "Therapeutenempfehlungen", wie sie in der S3-Leitlinie stehen, muss man wissen, dass die Leistungserbringer im Nachbarland Deutschland andere sind - Logopädinnen und Logopäden werden darin nicht erwähnt, da die dortigen politischen Entscheidungen - und somit die gesetzlichen Vorgaben, was die Therapiekostenübernahme anbelangt -  andere sind!!.

Somit stellt in Österreich das Vorliegen einer LRS oder eine Störung/Schwäche im grammatikalisch-syntaktischen, lexikalisch morphologischen, auditiv-phonologischen Bereich, dem Sprach-/Textverständnis, der Erzählfähigkeit etc. im Rahmen einer SES eine Indikation zur logopädischen Therapie dar. Die anteiligen Therapiekosten werden von den Krankenkassen übernommen, sofern eine logopädische Diagnose im Sinne einer zu behandelnden Störung/Schwäche vorliegt - vgl. "Indikationenkatalog logopädieaustria".

 

Zusammenhang Laut<->Buchstabe

Phonem: kleinste sprachliche Einheit mit bedeutungstragender Funktion. Einzellaute werden auch als "Phon" bezeichnet. Wie Phoneme letztendlich klingen, hängt von der "lautlichen Nachbarschaft" innerhalb eines Wortes, den unbewusst ablaufenden Übergangsbewegungen zwischen den Lauten und den regionalen Dialekten ab.

Graphem: Buchstabe(n) für einen gesprochenen Laut bzw. eine Lautverbindung. 

Ein einzelner Laut kann immer gleich klingen, hat aber unterschiedliche Schreibweisen.

Bsp.: Das ausgesprochene /ks/ kann als KS ("merkst"), GS ("sagst"), CHS ("Fuchs"), CKS ("weckst") und auch als X (Hexe) verschriftlicht werden. 

Umgekehrt kann sich ein immer gleich geschriebener Buchstabe je nach Stellung im Wort unterschiedlich anhören.

Bsp: Das erste /e/ in "Esel" klingt am Wortanfang anders als das zweite /e/ oder als das /e/ in "Maler". Es wird  in gewissen Endsilben ausgelassen bzw. hört sich /a/- ähnlich an ("Schwa-Laut").

Die Phonem-Graphemzuordnung vollzieht sich also nicht im Verhältnis 1:1. Im Deutschen verfügen wir über ca. 40 Phoneme (dialektbedingt oft auch mehr) und 26 Buchstaben, die sich wiederum in über 50 Graphemen entweder als Einzelschreibung oder Buchstabenfolge wiederfinden. (Angaben in der Literatur unterschiedlich)

Bsp.: Der Laut /sch/ wird durch die drei aufeinanderfolgenden Buchstaben "S-C-H" als Graphem "Sch/sch"realisiert. 

Das Graphem "ST" kann sowohl als /scht/ gesprochen werden, aber auch als aufeinanderfolgendes /s/+/t/. ("Stein", "aufstehen", "Weste", Kunst")

Morphem: kleinste lautliche oder schriftliche Einheit, die eine grammatische Funktion besitzt.

Auch kurze Funktionswörter (Artikel, Bindewörter) gelten als Morpheme, ebenso Endungen wie "-e/-er/-en/-ung/-lich" oder Vorsilben, wie "ab-/her-/ zu-" und viele mehr. Der Unterschied zum Wort besteht darin, dass das Morphem selbständig vorkommen kann oder als Teil eines Wortes.

Wörter müssen selbständig stehen können, um als solches zu gelten.

Bsp.: "hinkommen"….."komm" ist sowohl Wortstamm-Morphem, als auch Wort.

Bsp.: "überbrücken"……"brück" ist ein Wortstamm-Morphem

Silbe: Die Silbe ergibt sich als eine Folge von Lauten im natürlichen Sprechfluss. Der Silbengipfel (Betonung) liegt zumeist auf einem Vokal/Umlaut/Zwielaut. Ideale Silbenfolgen bestehen aus einem "Konsonant - Vokal - Gespann". Dies wird auch als "offene Silbe" bezeichnet, während es sich bei einer Silbe mit Konsonant (= Mitlaut) am Ende um eine "geschlossene Silbe" handelt.

Die Trennung von Sprechsilben, wie sie sich durch den natürlichen Sprechfluss ergibt, unterscheidet sich nach Kurzvokalen von der Silbentrennung, die als "Mitsprechhilfe FÜR das Schreiben" Verwendung findet.

Kindergartenkinder mit gut entwickelter phonologischer Bewusstheit, die ja noch keinerlei Rechtschreiberfahrung besitzen(!), teilen ganz automatisch richtigerweise nach dem kurzen Vokal, wenn sie danach nur einen Konsonanten bzw. phonematische Einheit wahrnehmen. (Sofern ihnen "rechtschreiberfahrene Erwachsene" noch keine andere Trennmethode vorgegeben haben.)

Bsp. natürliche Sprechsilben: A-pfel, Zi-mer, Bri-le, mü-sen, Ri-ter, Ka-ze, Schme-ter-ling, pla-zen, hü-pfen….

Bsp. Silbenmitsprechhilfe für das Schreiben: Ap-fel, Zim-mer, Bril-le, müs-sen, Rit-ter, Kat-ze, Schmet-ter-ling, plat-zen, hüp-fen….

Für das lauttreue Schreiben und das erste Heranführen an orthografische Besonderheiten, ist  die Zergliederung in Mitsprechsilben (bei Konsonantenverdoppelungen) sehr hilfreich. Bei älteren Kindern - spätestens ab der Sekundarstufe - empfiehlt sich jedoch der morphemorientierte Therapieansatz in Kombination mit Orthographie-Regelwissen.


Sprachentwicklung und LRS:

Anhand obiger Ausführung ist ersichtlich, das der Aufbau des Schriftsprachsystems kompliziert ist. Somit wird auch nachvollziehbar(er), warum Kinder und Jugendliche Probleme haben, sich innerhalb des Systems zurechtzufinden. Besonders maßgebend beim Schriftspracherwerb sind neben einer guten Artikulation und Lautwahrnehmung auch Wortschatz und Sprachausdruck.

Bereits vom Babyalter (!) an sollen  Eltern "Sprachförderung" bewusst betreiben! Geräusche nachahmen, "Kitzelspiele" (Berührungsreize, Körperwahrnehmung!), vorsingen und "Lalldialoge" mit dem Baby sind erste Kommunikationsformen.

Fernseher, dauernde Musikberieselung, Handy, PC, Tablet & Co sollten für Babys und Kleinkinder bis 4 Jahre (möglichst) tabu sein! Sie sind einer guten (Sprach)Entwicklung keinesfalls dienlich, sondern überlasten das kindliche Gehirn und sorgen so schon in frühen Jahren für Reizüberflutung. Möglicherweise wird hier schon der Grundstein für Sprachentwicklungsstörungen oder eine spätere Aufmerksamkeitsstörung gelegt. (ADS, ADHS)

Sprache kann nur in 1: 1 Kommunikationssituationen erlernt werden - das Kind braucht ein Gegenüber, einen realen Menschen um sich über reale Situationen/Handlungen/Erlebnisse austauschen zu können. Der sogenannte "trianguläre Blick" ist im Säuglingsalter ab ca. 10 Monaten sehr bedeutend - Kind und Erwachsener haben den  Fokus auf den selben Gegenstand, eine Person, ein Ereignis gerichtet und können miteinander in Kommunikation treten. Der Grundstein für den  "Perspektivenwechsel" wird gelegt, denn schon das Baby begreift "Ich weiß, dass du weißt, dass ich sehe, was du siehst." Das modernste Tablet, der teuerste Fernseher oder das coolste Handy können nicht leisten, was Kleinkinder im Hinblick auf eine gesunde Sprachentwicklung von ihren Eltern/Bezugspersonen bekommen können!

Im Kleinkind- und Kindergartenalter bietet das normale Alltagsgeschehen ebenso sprachliche Anreize, wie das gemeinsame Betrachten von Bilderbüchern, das Ausagieren von Spielhandlungen, erste Regelspiele und Vorlesen.

Schon in diesem Alter kann durch das elterliche Vorleben das Interesse für Wort und Schrift geweckt werden. Unterschätzen Sie die Vorbildfunktion, die Sie für Ihr Kind haben, keinesfalls! Erlebt Ihr Kind Sie häufiger die Tageszeitung bzw. ein Buch lesend oder gibt es ein abendliches Vorleseritual, wirkt sich dies auf sein Leseinteresse bestimmt positiv aus.

Auch für den späteren Schreiblernprozess ist das Lesen unentbehrlich. Volksschulkinder am "Beginn ihrer Schreiblaufbahn" sollten im Beisein eines Erwachsenen laut lesen.

Aufgabe des Erwachsenen ist es hierbei, ein "korrektives Feedback" zu geben, also die Lesefehler des Kindes - v.a. auch in der Wortbetonung/Aussprache! - durch richtiges Vorsprechen des gelesenen Wortes zu korrigieren. 

Das Kind soll dann den begonnenen Satz mit der richtigen Wortbetonung nochmals lesen, damit es sein "lautliches Lexikon", die Aussprache der Wörter betreffend, immer mehr angleichen und mit den unterschiedlichen Schreibweisen abspeichern kann.

Ein Kind in dem Glauben zu lassen "Ich /ko:me/" (also lang gesprochenes /o/, anstatt kurzes /o/) sei richtig gelesen, wäre demnach kontraproduktiv für den Schreiblernprozess.

Entscheidend ist die Fähigkeit zur Herstellung einer Verbindung zwischen Höreindruck (= langer/kurzer Vokal) und dem Wissen über die Möglichkeiten diesen Höreindruck in schriftlicher Form wiederzugeben = SCHREIBEN, bzw. in umgekehrter Form das Erkennen von Buchstabenfolgen und deren korrekten lautlichen Abruf samt richtiger Betonung = LESEN. (Codierung/Recodierung)

"Zusätzlich" sollte natürlich auch der Inhalt verstanden werden bzw. Inhalte verständlich niedergeschrieben werden können --> Wortverständnis, Wortschatz, Lesesinnverständnis, schriftliche Ausdrucksfähigkeit. 

Bestehen hier gegenwärtig Probleme, so schließt sich der Kreis zur - latent vorhandenen oder auch ignorierten - Sprachentwicklungsstörung in der frühen Kindheit. Zahlreiche Studien belegen, dass davon betroffene Kinder ein höheres Risiko haben, eine LRS zu entwickeln.

Meine Arbeitsweise

"Lesen und schreiben lernt man nur durch Lesen und Schreiben." Die logopädische Therapie erfolgt ausschließlich in Einzelsitzungen auf Basis wissenschaftlich anerkannter, evidenzbasierter  Methoden. Hierbei werden alle Phasen der Schriftsprachentwicklung berücksichtigt und die Übungen individuell auf die Bedürfnisse des jeweiligen Kindes/Jugendlichen abgestimmt. 

Ich arbeite nicht mit Computerprogrammen, sondern lege Wert auf die sprachliche und metasprachliche Betrachtungsweise von Worten/ Lauten und deren "korrekter Ver- und Entschlüsselung" => Rechtschreibung, Lesefähigkeit, Leseverständnis.

Auch möchte ich der allgegenwärtigen Digitalisierung und damit verbundenen Reizüberflutung bewusst entgegentreten.

Als Ergänzung und Festigung bereits erarbeiteter Inhalte und zur Motivationssteigerung im häuslichen Bereich können Computerprogramme jedoch durchaus sinnvoll - sehr sparsam dosiert - eingesetzt werden.

Sollten Sie sich für eine Therapie bei mir entscheiden, so befassen wir uns  mit Sprache in schriftlicher / mündlicher Form. 

Für das Rechtschreiben werden Laut-Buchstaben-Beziehungen gefestigt, sowie Orthografie-Regeln und Strategien vermittelt. Kleine Spracheinheiten (Phoneme - Morpheme - Silben) werden auf Wort-, Satz- und Textebene bearbeitet, sowie die grammatikalisch-syntaktischen bzw. lexikalisch-semantischen Zusammenhänge betrachtet.

Grammatik/Syntax: betrifft Satzbau, Satzbildung

Lexikon/Semantik: betrifft Wortschatz, Wortbedeutung, Wortfindung

Für des Lesen sind ebenfalls die Absicherung der Laut-Buchstaben- bzw. Graphemzuordnung wesentlich. Weiters das rasche Erfassen von Wortteilen, Silben und Buchstabengruppen, sowie der Aufbau eines Sichtwortschatzes und die Arbeit am Lese-/Textverständnis.

Ziel ist es, neue Vernetzungen für das Schreiben/Lesen herzustellen und den Abruf zu beschleunigen. Hierbei finden evaluierte und evidenzbasierte (= wissenschaftlich auf ihre Wirksamkeit überprüfte) Methoden ihre Anwendung, 

Besonderes Gewicht lege ich auf Übungen im phonologischen Bereich (z.B. Arbeit mit "Pseudowörtern"/ Silben/ Reimen, Wortgliederung, Identifizierung von Vokallängen, Wortstämmen…) und die Vermittlung von Rechtschreibstrategien. 

Eingebettet in die Arbeit am Wortschatz (Sprachausdruck, Formulierungen, Redewendungen, Textbetrachtung) werden die erworbenen Kenntnisse in vielfältiger, intensiver Form immer wieder abgerufen und miteinander vernetzt. Dieser Abruf erfolgt auf Phonem-, Graphem-, Morphem-, Silben- und Wortebene. Dadurch wird eine längerfristige Speicherung der korrekten Schreibweise erleichtert, das erworbene Wissen gefestigt.

Gerne helfe ich auch Erwachsenen bei der Bearbeitung ihrer individuellen Problematik.

Nicht wenige Erwachsene stehen seit dem Ende ihrer Schulpflicht mit dem Schreiben und/oder Lesen "auf Kriegsfuß". Zwar haben sie es durch ihre Intelligenz und Kompensationsstrategien geschafft, einen Platz im beruflichen und gesellschaftlichen Leben zu finden, leiden jedoch insgeheim immer noch unter ihrem Defizit.

Sie scheuen sich, neue berufliche Herausforderungen anzunehmen oder müssen von der Verwirklichung eines Lebenstraums absehen, weil Sie befürchten, anderen nicht ebenbürtig zu sein? Das Bemühen, die Schwäche vor der Umwelt zu verbergen und möglichst "normal" zu wirken stellt für Sie eine dauernde psychoemotionale Belastung dar? Sie möchten nicht länger das Gefühl haben, dem Problem einfach "ausgeliefert" zu sein, sondern aktiv eine Verbesserung herbeiführen?

Sollten Sie sich in diesen Zeilen wiederfinden, so scheuen Sie sich nicht, Kontakt mit mir aufzunehmen. Den ersten Schritt, sich über Behandlungsmöglichkeiten zu informieren, haben Sie ja bereits gemacht. Die erforderliche therapeutische Unterstützung dabei kann ich Ihnen bieten!