Phonologische Bewusstheit & LRS

Die phonologische Bewusstheit stellt eine wichtige Vorläuferfähigkeit für den Schreib-Leselernprozess dar. 

Kinder im letzten Kindergartenjahr sollten über eine gut ausgeprägte "phonologische Bewusstheit im weiteren Sinn" verfügen, d.h. sie können reimen, gleich/verschieden klingende Wörter unterscheiden, Wörter in Sprechsilben zerlegen bzw. silbierend gesprochene Wörter als Einheit erkennen. In den meisten Kindergärten wird großer Wert auf die Förderung dieser Fähigkeiten gelegt, da sich Kinder im Vorschulalter hier in einer "sensiblen Phase" befinden, in der sie gut davon profitieren.

Um die Schuleintrittsphase herum wird die "phonologische Bewusstheit im engeren Sinn" immer bedeutungsvoller. Sie befähigt die Kinder zu einer guten Lautwahrnehmung und - unterscheidungsfähigkeit. Sie können z.B. angeben, welchen Laut sie am Anfang oder Ende eines Wortes hören, können vorgesprochene Laute (nicht Buchstaben!) zu einem Wort zusammenziehen oder können aus mehreren Wörtern jenes benennen, das sich von den restlichen durch einen anderen Anlaut unterscheidet.
Auffälligkeiten in der phonologischen Wahrnehmung/Bewusstheit können die Entstehung einer Lese-Rechtschreibstörung begünstigen.

Pädagogisches (Elementargruppen-) Personal sollte sich jedoch immer bewusst sein, wie schmal der Grat zwischen (noch) normaler Sprachentwicklung und einer auffälligen, im Sinne einer SES sein kann. Bevor "Eigendiagnosen" gestellt werden, empfiehlt es sich also, die Eltern zu sensibilisieren und zum Aufsuchen einer LogopädIn zu raten.

Eine logopädische Sprachstandsdiagnostik ermittelt u.a. die Fähigkeiten im Bereich der phonologischen Bewusstheit, der auditiven Verarbeitung, sowie der auditiven Speicher- und Differenzierfähigkeit. Zeigen sich hier für den Schreib-/Leseprozess relevante Defizite, so sollten diese auch im Schulalter in die Therapie miteinbezogen werden, wobei zu betonen ist, dass durch die ausschließliche Bearbeitung dieser Bereiche keine Verbesserung der Lese-Rechtschreibleistung zu erwarten ist. Vgl AWMF-S3 Leitlinie.

Zur Beachtung: Bei Bezugnahme auf deutschsprachige Forschungsergebnisse, Studien, Artikel & "Therapeutenempfehlungen", wie sie in der S3-Leitlinie stehen, muss man wissen, dass die Leistungserbringer im Nachbarland Deutschland andere sind. Logopädinnen und Logopäden werden darin nicht oder nur am Rande erwähnt, da die dortigen politischen Entscheidungen - und somit die gesetzlichen Vorgaben, was die Leistungserbringung & Therapiekostenübernahme anbelangt -  andere sind!



Weiterführende Informationen 

  • Aufstellung hilfreicher Tipps für "Lese-Rechtschreibschwäche bei Fremdsprachen" finden Sie hier vom Salzburger Landesschulrat.
  • Barmherzigen Brüder Linz/ Institut für Sinnes- und Sprachneurologie - ISSN
  • Bundesministerium/Schulpsychologie.  
  • Die Hilfestellung "Schulischer Umgang mit der Lese-Rechtschreibschwäche" i.d. 3. Auflage 2022 des Bundesministeriums zeigt zahlreiche Möglichkeiten auf, wie Förderung im schulischen Bereich - also durch speziell fortgebildete Pädagoginnen & Pädagogen - erfolgen kann. Auf den Seiten 54 - 58 finden sich Vorschläge für Schulleitung/PädagogInnen für die individuelle Umsetzung am jeweiligen Schulstandort.

Zum Thema "Individualisierung im Unterricht" hier ein relevantes Rundschreiben des BMUK aus 2007 . Bei der Induvidualisierung und Berücksichtigung persönlicher Stärken des einzelnen Kindes/Jugendlichen, den Unterricht und die Leistungsbeurteilung betreffend, handelt es sich also nicht um eine Neuerfindung!


Kurz zusammengefasst:

  • Die direkte Arbeit am Lesen/Schreiben und sprachlich-phonologischen Prozessen ist die einzige Maßnahme die wissenschaftlich nachweisbar hilft, dafür aber auch -  mit der nötigen Ausdauer und konsequentem Training - dauerhaft Verbesserungen bringt. Zuständige Berufsgruppe in Österreich sind die Logopädinnen/Logopäden.
  • Grundsätzlich ist jede Lehrkraft aufgrund ihrer/seiner Ausbildung befähigt Schwächen im Lesen und beim Erlernen der Rechtschreibung zu erkennen und entsprechende Fördermaßnahmen einzuleiten!
  • Da die alleinige Problembearbeitung in der Schule jedoch in den meisten Fällen nicht ausreicht, ist es notwendig, bei Verdacht frühzeitig Hilfe bei LogopädInnen und anderen kompetenten Anlaufstellen in Anspruch nehmen! Auch wenn ein Termin für eine klinisch-psychologische Diagnostik aufgrund langer Wartezeiten noch nicht erfolgt ist, kann zwischenzeitlich bereits mit einer logopädischen Therapie begonnen werden. Im Zusammenhang mit der logopädischen Diagnostik können auch standardisierte Lese-Rechtschreibtests zur Einschätzung der Problematik von mir durchgeführt werden.
  • Zur Diagnostik nach ICD-10/11 autorisiert sind grundsätzlich alle klinischen Psychologen/Psychiater in freier Praxis und an Institutionen, die sich mit der LRS befassen. Deren Befunde besitzen somit immer schulbehördliche Relevanz.
  • Eltern sollten ihrem Kind verdeutlichen, dass die Diagnose "LRS"  keine "Befreiung von schulischen Pflichten" darstellt! Betroffene Schüler haben genau wie ihre Mitschüler Leistungen zu erbringen. Im Zuge des Nachteilsausgleichs (vgl. Rundschreiben 24/2021) sollten jedoch vonseiten der Schule Leistungsumfang und Art der Überprüfung angepasst werden. Dies trägt zur Entlastung und Stressreduktion bei und Betroffene können ihre persönlichen Stärken vermehrt nützen.
  • Pädagogen können betroffenen Kindern wertvolle Hilfestellung geben, indem sie das Gespräch mit ihnen suchen um herauszufinden, welche Problembereiche in der Therapie gerade bearbeitet werden. Sie könnten weiters die Leistungsüberprüfung darauf abstimmen, die außerschulische Übungszeit als "zusätzliche Hausübung" wertschätzen, Leistungsdruck nehmen, individuell beurteilen! (s.o.) Sinken Druck und Frustration ist davon auszugehen, dass die Motivation "das Problem anzupacken" beim Kind/Jugendlichen ansteigt. Erste Erfolge und die anerkennende Haltung der Lehrkräfte vermitteln Zuversicht.
  • Die deutschsprachige Literatur (vgl. Suchodoletz, Landerl/Moll, Schulte-Körne, Dummer-Smoch u.a.) belegt, dass die Arbeit mit Methoden, die einzelne Teilleistungen bearbeiten nicht mehr zeitgemäß und deren Wirksamkeit auch wissenschaftlich nicht belegbar ist, bezieht sich aber bei der Nennung zuständiger Förderer/Therapeuten ausschließlich auf Deutschland mit den dortigen gesetzlichen Regelungen!